Gesundheitsapps auf Rezept - Mehr Lebensqualität dank digitaler Angebote
Eine App auf Rezept? Was noch vor Kurzem abwegig klang, ist seit Herbst 2020 in vielen Arztpraxen Alltag. Zum Beispiel bei Priv.-Doz. Dr. med. Peter Fellmer. Regelmäßig verordnet der Facharzt für Gefäßchirurgie in seiner Duisburger Praxis sogenannte Digitale Gesundheitsanwendungen (kurz: DiGA). Bei der Behandlung von Patienten unter anderem mit Durchblutungsstörungen, Raucherbeinen oder venösen Leiden, häufig begleitet durch Übergewicht, hat er festgestellt: „Das Verfahren führt zu zunehmendem Erfolg. Wir erreichen damit deutlich mehr Patienten als zuvor.“
DiGA sind Teil des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG), das 2019 in Kraft getreten ist und mit innovativen digitalen Ansätzen die Gesundheitsversorgung verbessern soll. Der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen wurde in § 33a SGB V eingefügt. Ihr Anspruch: die Krankheitsdauer zu verkürzen sowie insgesamt einen verbesserten Gesundheitszustand und eine höhere Lebensqualität zu erreichen. Ihre Anwendung ist leitlinienbasiert und wissenschaftlich fundiert, sie sind daher offiziell als Medizinprodukte zugelassen. Für viele Anwendungen per App reicht ein Smartphone oder Tablet, andere DiGA funktionieren über eine Webseite, auf der man sich am Computer mit einem Passwort einloggt. Für wiederum einige DiGA benötigt man auch Zubehör.
DiGA versprechen Datenschutz und Funktionstauglichkeit
Die derzeit etwa 50 Apps können unter anderem an die regelmäßige Medikamenteneinnahme erinnern, Blutzucker- und andere vitale Werte dokumentieren sowie die Nutzer zu gesundheitsförderlichem Verhalten bis hin zur Unterstützung der Psyche motivieren. Dabei helfen Infos zur Erkrankung sowie einfache Anwendungen vom Ernährungstagebuch bis zur Bewegungs- oder Entspannungsübung.
Voraussetzung für eine Verordnung: Sie ist aus medizinischer Sicht indiziert und die Anwendung ist im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet. Um dort aufgenommen zu werden, müssen die Anbieter mehr als 120 explizit vom Gesetzgeber vorgegebene Einzelmaßnahmen zu Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität und Datenschutz gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erfüllen.
Kontrollbesuche beim Arzt unterstützen den Erfolg
Etwa 150-mal im Jahr verordnet Dr. Peter Fellmer Apps zur Therapie von Adipositas und ebenso viele zur Rauchentwöhnung, die häufigsten Begleiterkrankungen seiner Patienten. „Damit haben sie eine Art Ansprechpartner, der ihnen bei ihren Problemen hilft“, erläutert der Facharzt. „Für viele ist das der erste Kontakt, externe Hilfe anzunehmen.“ Insbesondere den Adipositas-Patienten, die er einmal im Quartal zur Kontrolle bestellt, hat er Folgeverordnungen ausgestellt. Circa 20 Prozent von ihnen können sich über „tolle Erfolge“ freuen, wie Dr. Fellmer berichtet: „Einige haben 20 bis 30 Kilo abgenommen.“ Das regelmäßige ärztliche Gespräch hält er dennoch für unerlässlich, es gebe den Patienten Auftrieb, den Erfolg zu halten.
DiGA geben Feedback und passen die Therapie an
Das Spektrum der Anwendungsgebiete deckt neben den von Dr. Fellmer gestellten viele weitere Diagnosen ab – von Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und Harnwegs-Erkrankungen bis zu Erkrankungen im Verdauungsbereich, der Psyche, Muskeln oder Atemwege. Doch wie genau sieht eine solche Therapieunterstützung aus? Beispiel Reizdarmsyndrom: Primäres Ziel der App ist, die Symptome funktioneller gastrointestinaler Beschwerden zu reduzieren. Darüber hinaus soll sie helfen, Depressionen zu lindern sowie krankheitsbezogene Arbeits- und Aktivitätseinschränkungen zu verbessern. Dabei unterstützt ein multimodales und interaktives Selbsthilfekonzept: Nach Registrierung und Beantwortung einiger grundsätzlicher Fragen – etwa zu Alter, Geschlecht und Erkrankung –, entwickelt die App ein Therapiekonzept, eine Art digitalen Behandlungspfad. Er enthält unter anderem Basiswissen, Ernährungsempfehlungen, eine audiogeführte Hypnose und Übungen zur kognitiven Verhaltenstherapie. In regelmäßigen Abständen erfolgt über das Smartphone ein Feedback, werden auf einem digitalen Fragebogen die Fortschritte abgefragt und die Therapieempfehlungen angepasst. So erarbeiten sich Patienten während der mindestens dreimonatigen Nutzungsdauer in Eigenregie personalisierte Inhalte, die Lebensstil und Verhalten individuell und positiv beeinflussen sollen. Auf rein psychotherapeutischen Ansätzen, insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie, basiert eine digitale Gesundheitsanwendung für Menschen mit Multipler Sklerose, bei denen zusätzlich eine Fatigue vorliegt. Eine klinische Studie belegte eine deutliche Reduzierung der Fatigue nach bereits 90 Tagen. Für sie wie für alle anderen geprüften DiGA gilt: Daten in einer DiGA werden nach sehr strengen gesetzlichen Regelungen verarbeitet. Eine DiGA hat zuvor eine Prüfung auf Anforderungen von Datenschutz und Datensicherheit beim BfArM zu durchlaufen.
Erfolgsrezept Kontinuität
Im Allgemeinen sind DiGA einfach, selbsterklärend und intuitiv zu bedienen. Dennoch empfiehlt Gefäßchirurg Dr. Fellmer: „Für die Anwendung braucht es neben den technischen Voraussetzungen auch eine gewisse Affinität im Umgang mit elektronischen Medien.“ In seiner Praxis bietet er daher bei Bedarf ein wenig Unterstützung am Anfang: Sobald die Krankenkasse das Rezept akzeptiert und den Freischaltcode für die App übermittelt hat, können sich die Patienten bei seinen medizinischen Fachangestellten in das Tool einweisen lassen. Denn Voraussetzung für den Erfolg ist die korrekte und kontinuierliche Anwendung der Apps. Dann können sie den Arzt zwar nicht ersetzen, die Therapie aber nachhaltig begleiten.
„In vielen Fällen ist die DiGA der erste Kontakt, externe Hilfe anzunehmen.“
Priv.-Doz. Dr. med. Peter Fellmer, Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie, Leiter einer Praxis für Gefäßmedizin, Chefarzt an der Klinik für Gefäßchirurgie am Evangelischen Klinikum Niederrhein in Duisburg und Privatdozent an der Universität Düsseldorf
Quelle: CP Blog - 04/2024, mk Medienmanufaktur GmbH
Bildquelle: Coloplast, Priv.-Doz. Dr. med. Peter Fellmer